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Mit den Plattschnackern auf dem Wittmunder Wochenmarkt

Alle Hände voll zu tun hatten am Donnerstagvormittag die Plattdeutsch-Akteure Wilhelm Ihnen sowie Heiko und Jutta Müller von der Stadt Wittmund und Karl-Heinz de Wall vom Landkreis, als es wieder einmal darum ging, die Werbetrommel für die Regionalsprache zu rühren. Dazu gesellte sich auch Grietje Kammler vom Plattdeutschbüro der Ostfriesischen Landschaft in Aurich, einen besonderen Akzent setzten aber Angehörige der Plattschnacker-Gruppe um Margret Holzke vom Sonneneck des DRK-Kreisverbandes mit ihren auffälligen gelben T-Shirts. Gelb war vielfach die Farbe des Vormittags, denn auch die von der Landschaft herausgegebenen Einkaufkarten, in denen es um Tuffels und Wuddels, Appels un Plumen, Melk un Botter, Kees un Wurst, Fisk, Swartbrood und Stut sowie Tee un Koffje geht, sind in dieser Farbe gehalten und wurden gern mitgenommen. Ja, alle diese Waren und anderes mehr wurden von den etwa zwanzig Beschickern des Donnerstag-Marktes angeboten. Beer, Wien und Schnaps müssen allerdings woanders besorgt werden. „Mien Platt. Dien Platt. Uns Platt“ sei das Motto des diesjährigen Plattdeutschmonats September in Ostfriesland erläuterte Grietje Kammler. Gezielt wurden einige Marktbesucher befragt, warum sie denn mit ihren Kindern, Enkelkindern und anderen Familienangehörigen in Alltagsdingen nicht platt sprechen würden. Interessante Statements gab es genug. Ein junges Paar: „Wir sind in unserer ersten Begegnung auf hochdeutsch zusammenkommen und dabei geblieben“, obwohl beiden die Regionalsprache durchaus vertraut ist. Und immer wieder kam der vor einigen Jahrzehnten weit verbreitete Appell der Elterngeneration zur Sprache „Es ist besser, wenn ihr hochdeutsch lernt, dann habt ihr in der Schule keine Schwierigkeiten“. Eine Besucherin aus Hamburg ergänzte „Plattdeutsch war damals bei uns an höheren Schulen geradezu verpönt!“. Wie es im Bildungswesen aussah, erzählte ein ehemaliger Schulleiter aus dem Südkreis: „Als Heinrich Koops und seine Generation in den Ruhestand gingen, war es mit dem Plattdeutsch bei uns vorbei. Die jüngeren Lehrer, häufig woanders aufgewachsen, konnten oder wollten es nicht.“ Eine Mutter berichtete, dass ihre Tochter in jüngeren Jahren der Regionalsprache durchaus zugeneigt gewesen sei. „Als es mit dem Plattdeutsch-Lesewettbewerben vorbei war, verlor sie aber das Interesse“. So gab es die unterschiedlichsten Meinungsbilder, wobei sich herauskristallisierte, das es im heutigen Alltagsleben wohl eine wesentliche Aufgabe der Großeltern ist, ihren Enkelkindern die Grundlagen der plattdeutschen Sprache zu vermitteln und zu einer frühen Mehrsprachigkeit zu verhelfen. Jeder junge Mensch sollte eigentlich über einen Basiswortschatz verfügen. Die vielen Marktbeschicker –der Wochenmarkt war außerordentlich gut besetzt- hatten an diesem Donnerstag sicherlich einige hundert Kunden und machten gute Umsätze. Und wie selbstverständlich nahmen sie die Plaketten „Ick kann platt“ entgegen und natürlich auch die Überraschungskekse mit lustigen und manchmal aber auch nachdenklich stimmenden plattdeutschen Texten. Und wenn die Platt-Akteure das bunte Treiben auf dem Marktplatz beobachten, waren sie durchaus der Meinung „Wir sind keine Minderheit – wir sind ganz viele“. Karl-Heinz de Wall appellierte noch daran, die alte Sprache in vielen Bereichen neu zu erfinden. Mit Interesse werde die Anzeiger-Aktion „Een Woord up platt“ begleitet und es sei durchaus möglich, einfache technische Texte ins Plattdeutsche zu übertragen und in den sozialen Medien auf plattdeutsch zu chatten. Gut sei auch der Vorsatz „Plattdüütsch in’d Dörp un mit Engelsk dör de Welt“. So war denn der Donnerstag keine „Rettungsaktion vor dem lautlosen Tod der Regionalsprache“, nein – es konnte durchaus erlebt werden wie aufgeschlossen und putzmunter die Marktbesucher und –beschicker bei diesem Thema wurden. - Karl-Heinz de Wall, Wittmund-Leerhafe
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